Flugzeuge und Denkmaschinen

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Die Menschen neigen immer wieder dazu, neu gewonnene Erkenntnisse und Fähigkeiten zu überschätzen. Aktuell zeigt sich dies an den Fortschritten im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz. Wir haben das Prinzip der neuronalen Netze entdeckt, das anscheinend eine wesentliche Grundlage für die Fähigkeit des Lernens biologischer Systeme mit zentralem Nervensystem darstellt. Es erlaubt die Entwicklung von selbstlernenden Maschinen, denen man bisher unmöglich erscheinende Fähigkeiten beibringen kann: das Erkennen von Gesichtern, Sprache oder anderen komplexen Mustern.

Und schon glauben wir an autonome Fahrzeuge, digitale Kollegen oder den Untergang der Menschheit. Wir fürchten uns vor dem Terminator und plappern mit Siri und Alice. Ist das vernünftig oder geht da wieder einmal unsere Phantasie mit uns durch?

Die Entwicklung des Flugzeugs ist hier ein schönes Beispiel für den Unterschied von Wahn und Wirklichkeit. Der Traum vom Fliegen begleitete die Menschheit vermutlich seit sie Vögel bewusst wahrgenommen haben. Aber erst zum Ende des 19. Jahrhunderts gelang es, das Prinzip des Fliegens auf seine wesentlichen Grundlagen zu abstrahieren: ein wohlgeformter Flügel, der sich durch die Luft bewegt. Als dieses Prinzip erkannt war, entstanden die ersten funktionierenden Flugapparate - zunächst als Segler, die einen Hang hinab gleiten konnten.

Was fehlte war ein Antrieb, der den Energieverlust während des Fliegens kompensiert und eine konstante Geschwindigkeit ohne Höhenverlust sicherstellte. Alle Versuche, auch den Flügelschlag des Vogels zu imitieren, scheiterten. Wir wissen heute, dass dies aus energetischen und materialtechnischen Gründen ab einer bestimmten Größe nicht funktionieren kann. Die Kräfte am Flügel würden zu groß. Deshalb tat der Mensch das, was er schon immer gut konnte: er kombinierte zwei funktionierende Konzepte. Mit Hilfe der Luftschraube - das Prinzip war bereits von der Schifffahrt bekannt - konnte ein Flugapparat angetrieben werden und das Flugzeug war "geboren".

Das Flugzeug fliegt und besitzt damit eine Fähigkeit der Vögel. Aber es benötigt eine lange Start- und Landebahn und getrennte Systeme für Antrieb und Flugfähigkeit und es erlaubt in Geschwindigkeitsregionen vorzudringen, die einem biologischen System niemals möglich wären.

Ähnliches kann man bei der Entwicklungen der neuronalen Netze beobachten. Sie sind eine funktionierende Grundlage für lernende Maschinen aber ob es uns gelingt, mit ihrer Hilfe auch andere Fähigkeiten biologischer Gehirne abzubilden ist vollkommen offen. Ähnlich den ersten Flugpionieren werden viele der neuen Phantasten bei dem Versuch scheitern, das Gehirn 1:1 zu imitieren. Vermutlich wird man auch hier durch die Kombination von biologischem Vorbild und technischen Konzepten ganz neue Türen aufstoßen - und sich gleichzeitig immer weiter vom biologischen Vorbild entfernen. Ein Hypersonic-Jet fliegt nicht wie ein Vogel und HAL denkt nicht wie ein Mensch!

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