Energie und Information

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Zwischen natürlichen und technischen Prozessen gibt es bedeutende Unterschiede. Es ist jedoch nicht einfach, diese Unterschiede auf den Punkt zu bringen. Eine mögliche Hilfe bieten die Begriffe "Energie" und "Information". Es wird allgemein vorausgesetzt, dass Technik und Natur gleiche physikalische Konzepte zugrunde liegen. Dies trifft sicher auf die grundlegenden Prozesse zu. Trotzdem unterscheiden sie sich aber erheblich in Bezug auf Energie- und Informationsdichte. Technische Systeme ermöglichen eine enorme Konzentration von Energie und Masse. Gleichzeitig ist die Fähigkeit dieser Systeme, unbekannte Informationen über ihre Umgebung zu sammeln und intelligent zu nutzen äußerst beschränkt. Natürliche Systeme sind in ihrer Energiedichte und Masse begrenzt. Sie sind jedoch in der Lage, unzählige Informationen über ihre Umgebung auf unterschiedlichsten Ebenen zu sammeln und sinnvoll zu vernetzen, um daraus intelligente Verhaltensstrategien abzuleiten. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die Frage, warum wir in der Technik nicht ähnliche Kriterien anwenden, wie sie für die Natur seit Milliarden Jahren erfolgreich gültig sind.

Inhaltsverzeichnis

Energie

Energie ist nach den Theorien der modernen Physik Grundlage aller existierenden physikalisch wahrnehmbaren Objekte. Einstein hat mit seiner berühmten Gleichung e=m x c2 die Äquivalenz von Energie und Materie beschrieben. Alles was wir heute in der physikalischen Wirklichkeit wahrnehmen können beruht in irgendeiner Art und Weise auf der Veränderung von Energie.

Die unbelebte Natur - die Natur der Dinge und toten Objekte - verändert sich ausnahmslos (zumindest konnten wir noch keine Ausnahmen beobachten) in Richtung von Energiegefällen. Ein theoretisches Ende der Welt ist das absolute Gleichgewicht, in dem es keine Energieunterschiede mehr gibt - eine erstarrte Welt ohne jede Bewegung oder Veränderung.

Auch die Technik des Menschen beruht ausschließlich auf der Nutzung von Energie-Unterschieden. Je höher die Energie-Unterschiede sind, umso mächtiger können die Wirkungen der Maschinen sein, die die Energie nutzen. Unsere moderne Zivilisation beruht überwiegend auf dem Einsatz von Stoffen mit hoher Energiedichte: Erdgas, Öl, Kohle, Uran. Diese hohe Energiedichte und ihre Erschließung durch die Technik erlaubt mächtige Maschinen, die Produktion unzähliger Dinge und die Konzentration von Macht.

1 Liter Öl enthält die Arbeitsleistung, die ein Mann in 13 Tagen leisten kann, wenn er jeden Tag 10 h arbeitet (ca. 13 kWh). Diese Energie verbraucht ein PKW, wenn er 1 Person 14 km weit transportiert. Unsere moderne Industriegesellschaft hat sich durch die Verfügbarkeit von scheinbar unerschöpflichen Energiequellen dazu verleiten lassen, ihre gesamte Existenz von dieser Energie abhängig zu machen. Der Glaube, mit genügend Energie jedes Problem lösen zu können - die Philosophie des "man muss nur wollen!!!" - ist tief in der westlichen Industriegesellschaft verwurzelt und hat in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts fast religiöse Züge angenommen.

Der Status eines Menschen in diesen Ländern hängt deshalb von Quantitäten ab: von viel Geld, viel Wissen, viel Haben. Überall wird "Sein" durch "Haben" simuliert: körperliche Stärke durch starke Motoren, Weltgewandheit durch Weltreisen, Intelligenz durch Datenbanken und Schönheit durch Silikon. Aber all dieses "Haben" beruht auf der Verschiebung und Nutzung enormer Energiemengen: ein Mensch in Deutschland (einschl. Industrie) verbraucht im Durchschnitt permanent 5500 W an Primärenergie. Darin ist die Sonnenenergie für unsere Nahrungsmittel noch nicht enthalten. Ohne diese Energie sind die modernen Menschen Habenichtse.


Ein kleiner Animationsfilm, der die Abhängigkeit unserer Zivilisation von der Verfügbarkeit von Energie in Szene setzt: "PIG"

Information

Auch das Leben auf diesem Planeten hat sich entlang von Energiegefällen entwickelt: Wärme aus dem Erdinneren und die beständige Versorgung mit Licht durch die Sonne sind Grundlage allen Lebens auf diesem Planeten. Doch diese Energieströme sind begrenzt und nicht sehr intensiv. Das Leben musste lernen, diese geringe Energiedichte zu nutzen. Effizienz ist daher eine der wesentlichen Eigenschaften biologischer Systeme: nichts verschwenden, alles so gut wie möglich verwenden.

Damit dies möglich ist, nutzen natürliche Systeme Informationen über ihre Umwelt - und je besser ihnen das gelingt, umso eher haben sie eine Chance zu überleben. Anders als ein rein physikalisches Objekt - ein Stein, ein Tropfen oder ein Planet - können lebende Systeme ihre Umgebung differenziert wahrnehmen und ihre Reaktionen darauf abstimmen. Winzige Mikroben verfügen bereits über Möglichkeiten, sich in ihrer Umgebung gezielt zu bewegen. Dies erlaubt ihnen, Kräfte und Energieflüsse optimal zu nutzen - wie ein Judo-Meister, der die Bewegung seines Gegners einsetzt, um ihn zu Fall zu bringen. Dies erfordert keine Energie, Kraft oder Masse - es erfordert Information und die Intelligenz, diese Information zu nutzen. Jedes biologische System - von der kleinsten Bakterie bis zum Blauwal - enthält Strukturen, die auf Veränderungen der Umgebung differenziert reagieren können.

Diese Strukturen sind Teil des Systems. In ihnen ist die Geschichte des Lebewesens, seine individuelle und evolutionäre Entwicklung enthalten. Und es sind diese intelligenten Strukturen, die Informationen aus der Umgebung nutzen, um zu überleben. Die komplexesten Strukturen zur Wahrnehmung von Informationen aus der Umgebung besitzt das menschliche Gehirn. Seine Vielseitigkeit und seine Fähigkeit, Abläufe in der Wirklichkeit zu interpretieren und vorherzusagen ist einzigartig - und das mit einem Minimum an Energie: ein Mensch braucht gerade einmal 120 W an Energiezufuhr, um zu überleben.

Technik - Information - Energie

In der Technik hat die Nutzung von "Information" gerade erst begonnen. Masse und Kraft sind nach wie vor Maß aller Dinge - der Status eines intelligenten technischen Systems liegt immer noch um Größenordnungen unter dem eines "mächtigen" Systems - wer etwas auf sich hält fährt einen FerrariTM und nicht Fahrrad! Technische Systeme müssen groß, schnell, mächtig sein, um große Profite zu sichern. So funktioniert die schöne neue Energie-Welt der Industrieländer. Doch es gibt auch andere Kulturen und Glaubenssätze: mit Geschicklichkeit und Intelligenz die Kraft und Energie der Umgebung nutzen, nicht mit dem Kopf durch die Wand - sondern mit dem Kopf einen Weg um die Wand suchen!

Wenn die Menschheit langfristig existieren möchte, wird ihr nichts anderes übrig bleiben, als diesem 2. Weg zu folgen. Ziel darf dann nicht sein, schlichte Quantitäten zu erhöhen (mehr Kraft, mehr Geschwindigkeit, mehr Masse) - sondern die gewünschten Zustände (Schutz, Fortbewegung, Ernährung, Spaß) mit immer weniger Energie- und Materialaufwand sicherzustellen. Es ist eigentlich ein Zeichen massiver Dummheit, wenn wir Geländewagen mit einem Verbrauch von 35 l/100km im Stadtverkehr betreiben, obwohl sich der gleiche Nutzen mit einem 1 l/100 km Fahrzeug realisieren ließe.

Wo wir heute stehen

Quelle Stand 2014: https://www.welt.de/wissenschaft/innovationen/article123778886/Rechner-nach-dem-Vorbild-des-menschlichen-Gehirns.html

Bei einem Exascale-Computer, wie er derzeit in Jülich in Betrieb ist, wären etwa 100 Megawatt nötig. Das Forschungszentrum verfügt jedoch nur über eine elektrische Anschlussleistung von fünf Megawatt. Um also einen solchen Supercomputer zu betreiben, der ein menschliches Gehirn abbilden könnte, müsste ein eigenes Kraftwerk Tag und Nacht arbeiten.

Es scheint hinsichtlich Energie und Ressourcen wesentlich einfacher, aus einem denkenden Wesen eine Maschine zu machen, als aus einer Maschine ein denkendes Wesen.

Trotzdem: Mit den Möglichkeiten moderner Computer und der immer ausgefuchsteren Software steigen unsere Möglichkeiten, intelligente Strukturen zu schaffen, die mit immer geringerem Energie- und Ressourcenaufwand nützliche Dinge leisten. Wir müssen das ja nicht sofort größenwahnsinnig künstliche Intelligenz nennen.

Ein paar Beispiele:

  • Ressourcenschonende Produktion mit 3D-Druckern
  • effiziente Energieversorgung mit virtuellen Kraftwerken
  • Weniger Verkehr durch vernetzte Zusammenarbeit
  • Weniger Konsumgüter durch vernetztes Teilen

KI und Energie

2024 - Die Medien überschlagen sich mit Rekordmeldungen zu den neuen Fähigkeiten der künstlichen Intelligenz und Wissenschaftler aus Mathematik, Informatik und Robotik erzählen uns, was KI dank ihrer phantastischen Forschungsergebnisse demnächst alles können wird.

Doch langsam zeigt sich, dass all das mit gigantischem Energieaufwand erkauft wird. Wenn die Entwicklung so weitergehen würde, wäre für Training und Betrieb von KI-Modellen wie ChatGPT und seinen Ablegern für Alles und Jedes in einigen Jahrzehnten mehr Energie notwendig, als heute verfügbar ist.

Aber wir erfinden ja den Quantencomputer - und dann ist alles wieder gut. Wir sind schließlich Optimisten.

Persönliche Werkzeuge