Zeit 2007 - Oktober - 04 Raumfahrt
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siehe auch: http://www.zeit.de/themen/wissen/wissenschaft/weltraum/index
siehe auch einen Artikel von Arne Ahlert aus dem Jahr 2018, https://futurzwei.org/article/1107
Dieser Artikel bezieht sich auf den Beitrag "Der Sonne entgegen" von Gero von Randow in der Zeit, 4. Oktober 2007
Brauchen wir Raumfahrt?
In dem Artikel "Der Sonne entgegen" versucht der Autor, den Leser für einen alten Menschheitstraum zu erwärmen: der Entdeckungsreise in die Tiefe des Universums. Gleich zu Beginn verweist er auf die bisherige Entwicklung, die uns immerhin bis zum Mond führte. Danach - so Herr von Randow - verließ den Menschen der Schneid. Dabei wäre es in seinen Worten "töricht..., dem Menschen sein existenzielles Fernweh ausreden zu wollen". Und überhaupt ist es geradezu eine kulturelle Pflicht des Menschen, zu fernen Planeten vorzudringen.
Raumfahrt, dass ist aus dieser Perspektive vor Allem eine Frage des Wollens. Das Können wird selbstverständlich vorausgesetzt oder ist eben nur eine Frage des Engagements und der Zeit. In dieser Bewertung spiegelt sich der Glaube an den immer währenden Fortschritt wieder. Irgendwas klappt nicht - kein Problem: Wissenschaft und Technik werden es schon richten. Man muss eben nur genügend Geld und Arbeit in die Sache stecken und alles wird gut.
Der kurze Artikel blendet den gigantischen Aufwand, den schon die Reise zum nächsten Planeten erfordern würde, weitgehend aus. "Das wird teuer" - ist alles was Herrn Randow hierzu einfällt. Schließlich geht es hier um eine Vision für die gesamte Menschheit - und da spielt der Preis keine Rolle. Unterschlagen wird dabei, dass es sich bei der gesamten Menschheit wohl nur um den kleinen privilegierten Teil der westlichen Industrieländer handelt, dem die Reise ins All ein neues prickelndes Gefühl zu verschaffen vermag und der alleine über die notwendigen finanziellen Möglichkeiten verfügt.
Das Problem an diesen "Visionen" ist nicht so sehr die Neugier und Faszination für das Weltall - es ist die Großzügigkeit, mit der vom Rest der Menschheit die notwendige Opferbereitschaft verlangt wird, um diesen Traum zu erfüllen. Raumfahrt zum Mars und darüber hinaus würde gewaltige Resourcen an wissenschaftlichem Nachwuchs, an Rohstoffen und an Geld erfordern. Dabei ist keineswegs ausgemacht, dass uns der technische Fortschritt wirklich einmal über unser Sonnensystem hinaus führen würde.
Korrektur: Der folgende Absatz über die Osterinsel ist wahrscheinlich Unsinn. Aufgrund neuer DNA-Untersuchungen (2024) lassen sich keine Belege für einen Ökozid finden. Wahrscheinlich gab es sogar einen Austausch mit Südamerika[1]
Das Menschen trotz Wagemut und Entdeckerfreude entsetzlich scheitern können, zeigt Jared Diamond in seinem Buch "Kollaps" am Beispiel der Osterinseln. Den Menschen ist es damals gelungen, mit einfachen Booten, viel Wissen und großem Mut den gesamten Pazifik zu besiedeln. Auch die Osterinseln wurden so entdeckt und von Menschen nutzbar gemacht. Doch anders als auf vielen anderen Inseln, wurden dort die notwendigen Resourcen in einer überdrehten "kulturellen" Entwicklung verschwendet. Wälder wurden abgeholzt, damit Stammesfürsten sich immer größere Denkmäler setzen konnten - vielleicht in der Hoffnung damit die Götter zu angemessener Unterstützung zu bewegen. Am Ende hatten die Einwohner sowohl ihre Lebensgrundlage vernichtet als auch jede Möglichkeit verloren, die Insel jemals aus eigener Kraft verlassen zu können.
Deshalb sollte sich jede Gesellschaft - und das schließt die Wissenschaft ein - davor hüten, all ihre Kräfte in Ziele zu stecken, die sie überfordern. Der Traum von der Reise zu anderen Planeten ist solch ein Ziel. Sollte es überhaupt jemals in erreichbare Nähe rücken, dann nur in winzig dosierten Schritten. Raumfahrt ist kultureller Luxus, ähnlich den Pyramiden, der chinesischen Mauer oder eben den Kopfstatuen auf den Osterinseln. Wir sollten uns diesen Luxus erst leisten, wenn wir über die notwendigen Ersparnisse verfügen. Und die Entscheidung, ob die Ersparnisse reichen, dürfen wir weder Wissenschaftlern noch den Mächtigen der Welt überlassen - denn die sind für diese Entscheidung einfach zu dumm.