Versuch einer Theorie der Intelligenz

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Inhaltsverzeichnis

Allchemie oder Wissenschaft

Die Entwicklung der Naturwissenschaften ist kein gradliniges Voranschreiten, sondern ein von Versuchen und Irrtümern begleitetes Torkeln durch die Zeit.

Die ersten chemischen Erkenntnisse waren krude Mischungen aus experimentellen Erfahrungen und wüsten Theorien angefüllt mit Magie, Religion und Aberglauben. Trotzdem gelangte man mit diesem Eintopf des vermeintlichen Wissens zu bemerkenswerten Ergebnissen.

Aber erst nachdem genügend Erfahrungen vorlagen, gelang es, erste systematische Gedankenkonstruktionen zu bilden, die schließlich im Periodensystem mündeten. Diese Zusammenstellung der vielen Ideen und Erkenntnisse in einem konsistenten, klar strukturierten System erlaubte plötzlich ganz neue Ideen. Es bildete plötzlich eine Landkarte durch den vermeintlichen Urwald des Wissens über chemische Vorgänge und man konnte nun gezielt experimentieren und die Struktur ausbauen. Das war Chemie - nicht mehr Allchemie.

Erst jetzt konnte man von "echter" Wissenschaft sprechen.

Ich glaube, dass wir uns auf dem Feld der Intelligenz auf ähnlich unwegsamen Gelände bewegen, wie einst die Allchemie. Wir leben noch in einer Welt des Aberglaubens und der Magie: digitale Seelenwanderung, gewalttätige mechanische Terminatoren und binäre Ehepartner bestimmen unsere Wahrnehmung. Noch sind wir weit von einer integrierenden, strukturierten Darstellung von Intelligenz und ihren vielfältigen Erscheinungsformen entfernt. Wir tasten uns durchs Dunkel und setzen hier und da einzelne Kerzen der Erkenntnis. Allchemisten der KI basteln an autonomen Maschinen und künstlichen Künstlern und versprechen den Stein der Weisen oder ewige Jugend. Und noch sind die Stimmen sehr leise, die ein wissenschaftlich begründetes Wort gegen diesen Blödsinn erheben und die unwissenschaftlichen Grundlagen dieser Experten offen legen.

Was fehlt, ist eine zusammenfassende Theorie der Intelligenz, die unsere menschliche Erfahrung, unsere Erkenntnisse aus der Biologie und Verhaltensforschung und die Ideen der künstlichen Intelligenz mit einander verbindet und die Möglichkeiten und Grenzen jenseits kruder Phantasterei ergründet.

Was ist Intelligenz?

Wenn wir über Intelligenz sprechen, nachdenken und forschen wollen, müssen wir den Begriff zunächst abgrenzen. Was meinen wir, wenn wir von Intelligenz sprechen?

Intelligenz

Ein Vorschlag: Für die Abgrenzung von Intelligenz halte ich folgende Annahmen für relevant und zwar sowohl aus schlichter Anschauung und Erfahrung als auch aus logischen Überlegungen:

  1. Intelligenz ist die Eigenschaft eines von seiner Umwelt abgegrenzten Systems (Maschine, Lebewesen, Mensch, Alien)
  2. Die Intelligenz eines Systems äußert sich in der Reaktion dieses Systems auf Herausforderungen und Problemstellungen durch seine Umgebung
  3. Intelligenz erfordert Wahrnehmung der Umgebung, um die Anforderungen überhaupt erkennen zu können
  4. Intelligenz erfordert Möglichkeiten zur Reaktionen in Bezug auf seine Umwelt, um sich zu äußern
  5. Intelligenz erfordert innere Regeln zur Verknüpfung der Wahrnehmung und der Reaktion
  6. Intelligenz erfordert die Fähigkeit zur Adaption der Regeln für die Verknüpfung von Wahrnehmung und Reaktion innerhalb des Systems aufgrund vergangener Erfahrungen (Gedächnis, Lernen)
  7. Intelligenz ist quantifizierbar (wenig Intelligenz, viel Intelligenz)


Schlussfolgerung: Ein System ist umso intelligenter,

  • je mehr unterschiedliche Anforderungen ein System sinnvoll beantworten kann

oder

  • je differenzierter es seine Umgebung und die daraus resultierenden Anforderungen wahrnehmen kann (Anzahl der Sensoren, Auflösungsvermögen)
  • je mehr Optionen zur Reaktion auf die Anforderungen verfügbar sind (Bewegungsoptionen, Kommunikationsoptionen, Denkoptionen)
  • je mehr Regeln für die Ableitung von Reaktionen aus den wahrgenommenen Anforderungen zur Verfügung stehen
  • je größer die Adaptionsfähigkeit der Regeln ist
  • je größer der Umfang vergangener Erfahrungen ist, die das System bewahren kann
  • je schneller die Vorgänge für Wahrnehmung, Regelfindung, Adaption und Reaktion ablaufen

Diese Feststellungen sagen nichts darüber aus, wie die "Intelligenz" in das System gekommen ist. KI entsteht, indem wir von außen das System mit Sensoren und Aktoren bestücken und diese mit Regeln einschließlich geeignetere Anpassungs- und Lernregeln miteinander in Beziehung setzen. Ob das System anschließend selbstständig "intelligenter" werden kann, indem es seine Wahrnehmung schärft, Regeln ausbaut oder seine Lernfähigkeit verbessert hängt von der Struktur und den inneren Möglichkeiten des Systems ab.

Bei Lebewesen ist die innere Intelligenz das Resultat einer langen evolutionären Entwicklung.

Gefühle

Jeder Mensch weiss ohne jeden Zweifel, was für ihn Gefühle bedeuten. Sie gehören zu seinen unmittelbaren Wahrnehmungen. Niemand muss lernen Angst zu haben, sich glücklich zu fühlen oder sich vor etwas zu ekeln. Lernen müssen wir nur den Umgang mit ihnen und die adäquate Einordnung. Aber es ist uns unmöglich, die Gefühle eines anderen Individuums unmittelbar wahrzunehmen. Was sind Gefühle?

Arbeitshypothese: Gefühle sind auf tief verankerte Bewertungsmechanismen beruhende Färbungen unserer Wahrnehmungen. Sie stellen eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für Reaktionen auf die Umwelt bzw. auf Vorgänge im Körper eines Individuums dar.

Kreativität

Intelligente Problemlösung braucht das Überschreiten von Grenzen, das Handeln außerhalb von vorgegebenen Regeln. Methoden, Regeln außer Kraft zu setzen und Dinge auszuprobieren sind freie Vorstellung und Spiel.

Arbeitshypothese: Kreativität beruht auf Phantasie und spielerischer Grenzüberschreitung, d.h. der Fähigkeit, selbstständig durch äußere und innere Aktivitäten neue ungewöhnliche Gehirnmuster zu erzeugen, die als Eingangsmuster für neuronale Strukturen dienen können. Phantasie arbeitet parallel zur Wahrnehmung und kann diese überlagern. Deshalb können wir uns Bilder, Töne, Gefühle "vorstellen" ohne sie konkret zu erleben. Ist das "Vorausahnen" von Gefahren oder Belohnungen bei Tieren der Vorläufer zur Phantasie?

Bewusstsein

Arbeitshypothese: Bewusstsein ist die Fähigkeit, innere Vorgänge bei der Regelanwendung und -anpassung (Denken) wahrzunehmen. Sie ist ein Wahrnehmungskanal und hat nicht zwingend etwas mit Intelligenz zu tun. Sie erfordert keine besondere Neuerung sondern verwendet die gleichen Strukturen zur Wahrnehmung wie Sehen, Hören, Tasten oder Riechen oder die Wahrnehmung von Schmerzen und inneren Zuständen. Sie erhält als Eingangsmuster lediglich Muster aus dem Inneren der Gehirnstruktur.

Thesen:

  • Bewusstsein erfordert die Fähigkeit eines Systems, seine Wahrnehmung selbstständig auf etwas Wahrgenommenes fokussieren zu können
  • Der Grad des Bewusstseins hängt von der zeitlichen und räumlichen Ausdehnung des Wahrgenommenen und der Optionen zur differenzierten Fokussierung ab (Wieviel kann das System überhaupt wahrnehmen und auf wieviel unterschiedliche Wahrnehmungen kann sich das System selbstständig fokussieren)

Beispiele: Heutige Bilderkennungssysteme können zwar beiliebige Bilder auswerten und Personen herausfiltern aber die Entscheidung, welche Person sie herausfiltern muss ihnen von außen vorgegeben werden.

Fast alle höheren Lebewesen sind in der Lage, ihre Umwelt wahrzunehmen und sich, je nach Sitation, auf einzelne Aspekte zu konzentrieren, um sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Unsere Hühner torkeln nicht besinnungslos durch den Garten sondern agieren aufmerksam und zielstrebig.

Menschen haben die Fähigkeit, die eigenen Gedanken und Erinnerungen wahrnehmen zu können und sich darauf zu konzentrieren. Welche Tiere ihre eigenen inneren Vorgänge wahrnehmen können, wissen wir nicht.

Ein Ameisenstaat handelt als ganzes intelligenter als es jede einzelne Ameise vermag. Er scheint aber über kein Bewusstsein zu verfügen. Ähnlich kann eine menschliche Gesellschaft bewertet werden. Sie kann als Ganzes hochkomplexe Artefakte hervorbringen, die kein einzelnes Individuum ohne menschliche Gesellschaft als Basis schaffen könnte. Das geht auch ohne höheres Bewusstsein.

Autonomie

1. Hauptsatz der künstlichen Intelligenz

Intelligenz ohne Autonomie ist nicht möglich!

Der Grad der Intelligenz eines Systems korreliert mit dem Grad seiner Autonomie gegenüber seiner Umgebung.

Eine Mücke kann sich in einer Umgebung mit sehr vielen Freiheitsgraden sinnvoll verhalten. Ein Industrieroboter erfordert eine statische Umgebung mit definierten Abläufen, um seine Aufgabe zu erfüllen.

Deshalb ist eine Mücke intelligenter als ein Industrieroboter!

2. Hauptsatz der künstlichen Intelligenz

Was braucht es für Intelligenz?

  1. ein gegenüber seiner Umgebung abgrenzbares System
  2. eine Umgebung, die in Wechselwirkung mit dem System steht
  3. Das System muss die Fähigkeit haben,
    1. die Wechselwirkung, den eigenen Zustand und den Zustand der Umgebung wahrzunehmen
    2. selbst auf die Wechselwirkung zu reagieren und den eigenen Zustand an den Zustand der Umgebung anzupassen
    3. ein Regelsystem besitzen, um angemessene Reaktionen abzuleiten
    4. die Regeln bei Änderung der Umgebung oder des eigenen Zustands anpassen zu können

Das Niveau der Intelligenz ist abhängig von den Möglichkeiten und Vielfalt

  • der Wahrnehmung
  • der Reaktionen
  • der Regeln
  • der Regeländerungen

Je mehr davon ein System Besitzt, umso höher ist seine Intelligenz.


Grundlagen

2. Hauptsatz der künstlichen Intelligenz

These: Ein parallel musterverarbeitendes System kann ein sequenziell logisches System simulieren - ein sequenziell logisches System kann kein parallel musterverarbeitendes System simulieren.

Die Fähigkeit, logische Kausalketten abzuarbeiten, ist nur eine Teilmenge aller möglichen kognitiven Fähigkeiten und anscheinend leichter durch Maschinen zu reproduzieren, als wir bisher dachten. Hierzu gehören Mathematik, Sprache, Musik und logisches "Denken". Hierzu gehört aber nicht, in unwegsamen Gelände umzufallen und wieder aufzustehen - auf eine unerwartete Situation angemessen zu reagieren - aus der Beobachtung eines Lebewesens auf dessen inneren Zustand zu schließen - zu streiten - etwas zu wollen - etwas zu genießen - etwas zu hassen...

bild:technik5.jpg

1. Hauptsatz der künstlichen Intelligenz


Umgebung

Ein System

Wahrnehmung der Umgebung

Handlungsoptionen

Regelsystem

Adaptionsfähigkeit

Wo beginnt Intelligenz?

Lässt sich Intelligenz messen?

Aktuell (2024) werden wir geflutet von Nachrichten über neue großartige Fähigkeiten von KI-Systemen. Sie können programmieren, lügen, sprechen, schreiben, lesen, übersetzen, malen, Filme erstellen, menschliche Sprache imitieren und wer weiss was noch alles!

Was KI alles kann:KI_kann_jetzt GoogleTM

Das wird dann von nicht Wenigen als Beleg für die zukünftige Überlegenheit von Maschinen gegenüber Menschen und Lebewesen angesehen. Aber welches Bewertungsystem liegt dem zugrunde? Wer hat die Kriterien für "besser" oder "intelligenter" definiert?

Weder Turing- noch Intelligentests sind adäquate Verfahren, um Intelligenz zu messen - besonders wenn es um die Intelligenz völlig unterschiedlicher System wie die eines Lebewesens und einer Maschine geht. Darüber ist sich die Wissenschaft heute einig - auch wenn das noch nicht in die Köpfe von Medienvertretern und manchem Informatiker vorgedrungen ist.

Eine Möglichkeit, Intelligenz einzuordnen besteht im Abzählen der bereits oben genannten Kriterien. Wie viele Kanäle besitzt ein System, um seine Umgebung und seine inneren Vorgänge wahrzunehmen und mit ihnen zu interagieren. Wie viele Regeln besitzt es, um die Interaktionen zu steuern und zwischen unterschiedlichen Optionen zu entscheiden. Wie viele Möglichkeiten zur Adaption dieser Regeln besitzt ein System.

Ich bin mir sicher, dass aktuell der Vergleich zwischen einem Roboter von Boston Dynamics und dem Spermium eines Grottenolms zu Gunsten des Spermiums ausfallen würde.

Eine andere Möglichkeit, den Status eines Systems bezüglich seiner Intelligenz einzuordnen, könnte im Vergleich der "Entwicklungszeit" liegen. Der Spracherwerb des Menschen hat nach bisherigen Kenntnissen wenige 100.000 Jahr benötigt. Die Entwicklung vom Bakterium zum autonomen, vielzelligen Lebewesens brauchte dagegen einige 100.000.000 Jahre. Letzteres muss also deutlich schwieriger gewesen sein - oder anders ausgedrückt: in einem vielzelligen Lebewesen steckt bei weitem mehr Intelligenz als in der neuronalen Struktur, die Sprache erlaubt.

Es ist nämlich keineswegs sicher, dass die Fähigkeit zur Sprache besonders viel Intelligenz erfordert. Das was unsere heutigen Computer tun, hat mit der Sprache eines Lebewesens nichts zu tun. Bei diesen Sprachmodellen handelt es sich um Transformationsmaschinen, die aus einem Eingangsmuster ein Ausgangsmuster erzeugen und dabei aus einem riesigen Vorlagenpool an Sprachmustern schöpfen können, den (intelligente) Menschen geschaffen haben. Das kann auch ein Fernseher oder ein Radio - nur nicht so komplex und verschachtelt.

Ein Huhn kann nicht sprechen. Aber es kann aus sich selbst heraus ein fremdes Objekt mustern und abschätzen, ob es gefährlich oder harmlos, essbar oder giftig, interessant oder langweilig ist. Es kann sich selbstständig, ohne Aufforderung um kleine Küken kümmern, sie umsorgen und auf sie aufpassen. Und wenn man es gut behandelt, tut es das viele Jahre lang. Und das soll nicht intelligent sein?

Links

https://www.l-iz.de/bildung/buecher/2023/06/degenerierte-vernunft-schwache-ki-verengung-menschlichen-denkens-541374


Menschliche Intelligenz: https://wuecampus.uni-wuerzburg.de/moodle/mod/book/tool/print/index.php?id=322100


Definitionen KI: https://elektro.at/wp-content/uploads/2019/10/EU_Definition-KI.pdf


Noch mehr Definitionen: http://www.verhaltenswissenschaft.de/Psychologie/Personlichkeit/Intelligenz/intelligenz.htm#uebersicht


Intelligenz, Beltz Verlag: https://www.beltz.de/fileadmin/beltz/leseproben/978-3-621-28044-0.pdf


Was künstliche Intelligenz nicht ist, Fraunhofer: https://blog.iao.fraunhofer.de/was-ist-kuenstliche-intelligenz-eine-definition-jenseits-von-mythen-und-moden/

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