Technikkritik
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Wenn heute Gentechniker behaupten, sie könnten Nahrungsmittel optimieren, dann ist das einfach nur arrogant. Sie mögen wissen, wie man im Zellkern herumstochert und blaue Tomaten bastelt - aber mit Sicherheit wissen sie dann nichts über den komplexen menschlichen Stoffwechsel, die vernetzen Zusammenhänge in Ökosystemen oder die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wechselwirkungen globaler Nahrungsmittelproduktionen. Im Mittelalter mag es Universalgelehrte gegeben haben, die das gesammelte Wissen der Menschheit überblicken konnten. Heute ist das unmöglich. | Wenn heute Gentechniker behaupten, sie könnten Nahrungsmittel optimieren, dann ist das einfach nur arrogant. Sie mögen wissen, wie man im Zellkern herumstochert und blaue Tomaten bastelt - aber mit Sicherheit wissen sie dann nichts über den komplexen menschlichen Stoffwechsel, die vernetzen Zusammenhänge in Ökosystemen oder die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wechselwirkungen globaler Nahrungsmittelproduktionen. Im Mittelalter mag es Universalgelehrte gegeben haben, die das gesammelte Wissen der Menschheit überblicken konnten. Heute ist das unmöglich. | ||
- | Das eigentliche Problem sind deshalb nicht die Technikkritiker ohne naturwissenschaftliche Bildung, sondern Technik-Positivisten die glauben, ihr beschränktes Technikwissen würde sie befähigen, die Auswirkungen einer technischen Entwicklung einzuschätzen. Tatsächlich sind [[Horx Matthias|Prognosen]] über technische Entwicklungen (und über die Folgen von Technik) bis heute lächerlich ungenau und könnten genauso gut durch systematisches Würfeln ersetzt werden. | + | Das eigentliche Problem sind deshalb nicht die Technikkritiker ohne naturwissenschaftliche Bildung, sondern Technik-Positivisten die glauben, ihr beschränktes Technikwissen würde sie befähigen, die [[Der Golem der Technologie|Auswirkungen]] einer technischen Entwicklung einzuschätzen. Tatsächlich sind [[Horx Matthias|Prognosen]] über technische Entwicklungen (und über die Folgen von Technik) bis heute lächerlich ungenau und könnten genauso gut durch systematisches Würfeln ersetzt werden. |
- | Und weil Prognosen und eine "[[Plan und Zufall|Planung]]" der Zukunft durch Technik sytembedingt unmöglich sind, empfiehlt sich Technikkritik als korrigierender Gegenpol zur allgemeinen Technikeuphorie. Ohne den dämpfenden Einfluss der Skepsis an technischen Entwicklungen, würden die Nerds dieser Welt in einer sich selbst beschleunigenden Regelschleife diesen Planeten in eine gewaltige [[Mythos der Maschine|Megamaschine]] verwandeln. | + | Und weil Prognosen und eine "[[Plan und Zufall|Planung]]" der Zukunft durch Technik sytembedingt unmöglich sind, empfiehlt sich Technikkritik als korrigierender Gegenpol zur allgemeinen Technikeuphorie. Ohne den dämpfenden Einfluss der Skepsis an technischen Entwicklungen, würden die [[Smarte neue Welt|Nerds]] dieser Welt in einer sich selbst beschleunigenden Regelschleife diesen Planeten in eine gewaltige [[Mythos der Maschine|Megamaschine]] verwandeln. |
Revolutionen sind in natürlichen Prozessen sehr selten und gehen meist mit großer Verwirrung, Zerstörung und ein wenig Chaos einher. Bekömmlicher - und weit häufiger - sind evolutionäre Entwicklungen, die langsam und beständig auf ein Optimum zusteuern. Das mag für manchen Professor nervenaufreibend und manchmal frustrierend sein. Aber wer sagt, dass [[Evolution|evolutionäre]] Entwicklungen Spass machen müssen. | Revolutionen sind in natürlichen Prozessen sehr selten und gehen meist mit großer Verwirrung, Zerstörung und ein wenig Chaos einher. Bekömmlicher - und weit häufiger - sind evolutionäre Entwicklungen, die langsam und beständig auf ein Optimum zusteuern. Das mag für manchen Professor nervenaufreibend und manchmal frustrierend sein. Aber wer sagt, dass [[Evolution|evolutionäre]] Entwicklungen Spass machen müssen. |
Version vom 08:46, 5. Feb. 2016
Zitat:
Während jedoch die Entwicklungsländer "nach Technik lechzen", herrscht in einem der führenden Technikländer - bei uns - eine Stimmung der Technikreflexion und -kritik, die oft genug in ideologisch getriebene Hexenprozessstimmung umschlägt....
Weil die ideologisierte Technikkritik schon längst weitreichende politische Entscheidungen beeinflußt, fordert Knizia (9) neben den Einrichtungen zur Technikfolgeabschätzung auch solche der Ideologiefolgenabschätzung, mit denen Schadwirkungen analysiert und irrationale Angstprediger - oft Geisteswissenschaftler ohne naturwissenschaftliche Bildung - neutralisiert werden können.
aus: Sektorale und räumliche Wirkungen des Technischen Fortschritts: Aspekte der Agrarentwicklung am Beispiel Brasiliens; Prof. Dr. oec. Hartmut Gaese; Institut für Tropentechnologie; FH Köln; Datum? [1]
In diesem Zitat finden sich alle Zutaten, mit denen Technopäpste üblicherweise jede Kritik an ihren wunderbaren "Lösungen" abschmettern:
- Technikkritik ist etwas für reiche Industrieländer - die Armen wissen, dass sie Technik brauchen
- Technikkritik ist ideologisch - nur verbohrte Individuen können gegen Technik sein
- Technikkritik ist Hexenverfolgung - wer Technik propagiert, sieht sich einer unzumutbaren Verfolgung ausgesetzt
- Technikkritik ist irrational - nur paranoide Wirrköpfe können gegen Technik sein
Leider sind solche Meinungen in den Kreisen der Entscheider und Eliten keineswegs selten. Fehlentwicklungen durch technische Neuerungen und Entwicklungen werden meist bagatellisiert, während die Vorteile in schönsten Farben und mit Goldrahmen präsentiert werden. Dabei sind es keineswegs "oft Geisteswissenschaftler ohne naturwissenschaftliche Bildung", sondern Naturwissenschaftler und Ingenieure mit großem Allgemeinwissen und einem Sinn für menschliche Zusammenhänge, die fundierte Technikkritik äußern: Joseph Weizenbaum, Lewis Mumford, Albert Einstein, Jared Diamond u.a. haben ihre Meinungen zu zweifelhaften technischen Entwicklungen abgegeben - und die waren und sind keineswegs immer positiv sondern von tiefer Skepsis begleitet.
Wenn heute Gentechniker behaupten, sie könnten Nahrungsmittel optimieren, dann ist das einfach nur arrogant. Sie mögen wissen, wie man im Zellkern herumstochert und blaue Tomaten bastelt - aber mit Sicherheit wissen sie dann nichts über den komplexen menschlichen Stoffwechsel, die vernetzen Zusammenhänge in Ökosystemen oder die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wechselwirkungen globaler Nahrungsmittelproduktionen. Im Mittelalter mag es Universalgelehrte gegeben haben, die das gesammelte Wissen der Menschheit überblicken konnten. Heute ist das unmöglich.
Das eigentliche Problem sind deshalb nicht die Technikkritiker ohne naturwissenschaftliche Bildung, sondern Technik-Positivisten die glauben, ihr beschränktes Technikwissen würde sie befähigen, die Auswirkungen einer technischen Entwicklung einzuschätzen. Tatsächlich sind Prognosen über technische Entwicklungen (und über die Folgen von Technik) bis heute lächerlich ungenau und könnten genauso gut durch systematisches Würfeln ersetzt werden.
Und weil Prognosen und eine "Planung" der Zukunft durch Technik sytembedingt unmöglich sind, empfiehlt sich Technikkritik als korrigierender Gegenpol zur allgemeinen Technikeuphorie. Ohne den dämpfenden Einfluss der Skepsis an technischen Entwicklungen, würden die Nerds dieser Welt in einer sich selbst beschleunigenden Regelschleife diesen Planeten in eine gewaltige Megamaschine verwandeln.
Revolutionen sind in natürlichen Prozessen sehr selten und gehen meist mit großer Verwirrung, Zerstörung und ein wenig Chaos einher. Bekömmlicher - und weit häufiger - sind evolutionäre Entwicklungen, die langsam und beständig auf ein Optimum zusteuern. Das mag für manchen Professor nervenaufreibend und manchmal frustrierend sein. Aber wer sagt, dass evolutionäre Entwicklungen Spass machen müssen.
UBRIGENS: in vielen Fällen wird Technikkritik mit Industriekrititik verwechselt!
siehe auch Wikipedia:Technikskepsis, Wikipedia:Technik als Idiologie
Technikkritik in der Sience Fiction
Warum die Deutschen keineswegs technikfeindlich sind: http://www.uni-stuttgart.de/zv/themenheft/04/deutschen_gegeueber_d.technik.pdf