Wo beginnt Verantwortung

Aus Wiki1

Wechseln zu: Navigation, Suche

Immer, wenn Menschen Schlimmes zustößt, suchen sie nach einer Ursache, einem Verantwortlichen, einem Schuldigen. Und wenn man ihn gefunden hat, wird er bestraft, ausgegrenzt und manchmal ausgemerzt. Unser Strafrechtssystem beruht auf der Annahme einer unmittelbaren Verantwortung, die jedoch immer nachgewiesen werden muss. Hat der Mensch bewusst und vorsätzlich gehandelt oder im Affekt oder versehentlich. War er sich der Folgen seines Handeln bewusst und hätte wissen müssen was passiert - oder waren die Folgen schicksalhaft und zufällig. Immer muss eine unmittelbare Ursache-Wirkungsbeziehung zwischen der Handlung eines Menschen und den Folgen belegt werden können, um eine Strafe oder Maßnahme gegen den Verursacher zu rechtfertigen.

Mit zunehmendem Wissen über komplexe Ursache-Wirkungszusammenhänge schob sich die Idee der Prävention in den Vordergrund. Wenn ich weiß, dass ein bestimmtes Handeln schlimme Folgen hat, muss ich dann dieses Handeln nicht schon verhindern, bevor etwas passiert? Bin ich nicht verantwortlich, wenn ich trotzdem handle? Immer mehr Gesetze dienen dazu, Folgen präventiv zu verhindern. Das hat merkwürdige Folgen. Plötzlich wird von manch einem der Verstoß gegen präventive Gesetze gleichgesetzt mit der Verantwortung für die möglichen Folgen. Der Schnellfahrer ist bereits Mörder, wenn er schnell fährt und nicht erst, wenn er nachgewiesen einen Menschen überfahren hat. Der Film "Minority Report" spinnt diesen Gedanken konsequent weiter. Wir bestrafen den potentiellen Täter - nicht den tatsächlichen Täter.

Deutlich wird dies auch in der Corona-Krise. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich als Einzelner einen anderen anstecke ist statistisch sehr gering. Trotzdem werden Menschen, die gegen Kontakteinschränkungen verstoßen, von manchen wie vermeintliche Gewalttäter behandelt. Jeder Verstoß gegen präventive Regeln wird streng getadelt, Polizisten schreiten ein und Bussgeldkataloge werden generiert. Ob dadurch unmittelbar ein Mensch gerettet wird - der Nachweis ist unmöglich. Allein der Glaube zählt.

Andererseits sind wir sehr großzügig bei Handlungen, die uns selbst Vorteile bringen - auch wenn sie am anderen Ende der Welt oder in ferner Zukunft zu Leid und Schmerz führen. Wir lassen zu, dass unsere Politiker in fremden Ländern Kriege führen, dass unsere Wirtschaft in fernen Ländern von der Ausbeutung unwissender Menschen profitiert und wir verschwenden gedankenlos all die wertvollen Ressourcen, die uns die Natur bereitstellt - als gäbe es kein Morgen. Wie sieht es da mit unserer Verantwortung aus? Wo ist der Bussgeldkatalog gegen globale Verantwortungslosigkeit?

Kann man Eigenverantwortung erzwingen

In diesen pandemischen Zeiten des Jahres 2020 wird aller Orten Eigenverantwortung von den vermeintlich "Veranwortlichen" angemahnt und soll - da sich störische Individuen einfach nicht eigenverantwortlich verhalten wollen - erzwungen werden. Die Politik glaubt in ihrer Selbstüberschätzung allen Ernstes, sie sei verantwortlich für das Sterben durch Krankheit, sollte sie nicht massiv eingreifen und den Einzelnen an der Verantwortungslosigkeit hindern.

Aber wie wäre es mit einem anderen Vorgehen: der Staat informiert die Bevölkerung über die Risiken und Wahrscheinlilchkeiten unter den verschiedenen Lebensumständen - je nach Kenntnisstand und Erfahrungen und überlässt es den Menschen sich angemessen zu verhalten. Parallel schafft er die notwendigen Rahmendbedinungen, damit sich der Einzelne schützen kann und Infizierten geholfen wird - in Krankenhäusern, Quarantäneeinrichtungen oder zu Hause. Jeder Einzelne kann dann selbst entscheiden, ob er sich zurückzieht, ob und welche Risiken er eingeht. Das wäre tatsächliche Eigenverantwortung. Denn die beinhaltet auch die Möglichkeit, sich falsch zu Entscheiden. Herr Spahn, Herr Kleber, Frau Merkel und all die Corona-Auguren mögen noch so ernst in die Fernsehkameras mahnen, sie halten das Sterben nicht auf. Ein Virus ist ein Virus ist ein Virus...und es ist der Zufall, der über Tod oder Leben entscheidet. Wenn alle Verantwortung tragen, trägt niemand Verantwortung.

Persönliche Werkzeuge