Wissenschaft in Zeiten von Corona

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2020

Die Corona-Pandemie hat in diesem Jahr so manchen Wissenschaftler ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit katapulitiert. Drosten, Kekule, Wieler und Streeck kennt man jetzt. Leider hat es nicht dazu geführt, adäquat über Wissenschaft zu sprechen.

Stattdessen wurden aus wissenschaftlichen Fragestellungen Lagerkämpfe gemacht. Streeck gegen Drosten, Laschet gegen Söder! In der Öffentlickeit wurde über Wissenschaftler und deren verkürzte Stellungnahmen, nicht aber über wissenschaftliche Thesen und Ansätze gestritten. Man fragt nach der Glaubwürdigkeit von Personen anstatt die Theorien und Annahmen zu diskutieren, die diese Personen vertreten. Die Science-Bitch Mai Thi Nguyen-Kim (maiLab) checkte Wissenschaftler in der Corona- Krise und erstellte ein Ranking der Expertise, mit der ganz unswissenschaftlichen Annahme: mehr Expertise = mehr Wahrheit.

Aber Expertise ist nur relevant für das Bekannte - im Unbekannten gibt es keine Expertise! Hier gilt Phantasie, Kreativität und Intuition - vielleicht auch Methodenerfahrung und einen Fundus an Wissen, aus dem man schöpfen kann.

In keinem Fall führt uns die Diskussion über Wissenschaftler und deren Zuordnung in Lager zu einem relevanten Erkenntnisgewinn. Wissenschaftlich zielführender wäre es, die Unsicherheiten und Wissenslücken zu benennen, Strategien für Forschungsprojekte zur Beseitigung dieser Unsicherheiten zu entwickeln und erst dann vermeintliche Gewissheiten zu verkünden, wenn diese tatsächlich belegbar sind.

Das heißt aber auch, sich mit Warnungen und Schreckensszenarien zurück zu halten, wenn es dafür keine valieden Grundlagen gibt. Der Maßnahmenkoffer des RKI mag ja für akute Pandemieausbrüche in begrenzten Regionen und für eine begrenzte Zeit sinnvoll sein - bei einem weltweites Geschehen über einen langen Zeitraum, bei dem solche Maßnahmen gravierende Auswirkungen auf alle Lebensbereiche haben, muss viel viel mehr begründet werden - auch wissenschaftlich!

Das Kontaktbeschränkungen die Übertragbarkeit von Viren reduzieren ist eine Binsenweisheit. Wie weit eine Kontaktbeschränkung aber gehen muss ist ein quantitatives Optimierungsproblem und keine schwarz-weiß Frage.

Was beeinflusst die Übertragbarkeit eines Virus - und wie groß ist dieser Einfluss? Um wieviel reduziert ein Mundschutz die Wahrscheinlichkeit zu infizieren oder infiziert zu werde? Wie wirkt sich der Abstand von einem Infizierten auf das Infektionsrisiko aus? Wie beeinflussen Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Sonnenstrahlung das Infektionsrisiko? Ist das Infektionsrisiko bei Sprachen mit vielen Presslauten (F, P, Sch, S) größer als bei Sprachen mit vielen Vokalen? Welche Rolle spielen kulturelle Unterschiede, Zustand des Gesundheitssystems, Lebensbedingungen?

Einer Gesellschaft kurzfristig mangels konkreter Informationen einen Shut Down zu verordnen, mag vernünftig und vielleicht alternativlos sein. Nach 6 Monaten und weltweit Millionen Infizierten und Toten aber immer noch keine langfristige Strategie zu haben, ist dagegen mehr als fahrlässig. Statt die immergleichen Rezepte zu verordnen, sollten wir deren Wirkung systematisch überprüfen und - wenn ihre Wirkung nicht nachweisbar ist - darauf verzichten.

Statt Menschen ohne Mundschutz öffentlich in die Nähe von Schwerverbrechern zu stellen (verantwortlich für Tot und Krankheit, Schuld an der Überforderung unserer Krankenhäuser usw.), sollten wir Politik und Wissenschaft fragen, was sie tun, um endlich die Informationen zu beschaffen, die wir brauchen um eine belastbare Kosten-Nutzen-Abwägung durchzuführen. Wieviel Menschen töte ich denn tatsächlich, wenn ich keinen Mundschutz trage?

Wenn mir ein Hr. Lauterbach in der 20igsten Talkshow erklärt, dass auch junge Menschen an Corona erkranken können, ist das wenig hilfreich. Um sinnvoll entscheiden zu können, was zu tun ist, müssen wir das konkrete Risiko kennen. Liegt es bei 1:100.000 oder bei 1:10? Wieviele Menschen wurden durch Kinder infiziert? Wie verändert sich das Risiko mit der Zahl der Kontakte zu anderen Menschen? Wie verändert es sich nach einer durchzechten Nacht?

Welche Rolle spielte Massentierhaltung bei der Enststehung der Pandemie? Wenn wir hier mehr wissen, können wir uns auch vernünftig verhalten. Warngeschrei und Dämonisierung einer Krankheit hilft hier nichts. Auch wenn wir die Bilder aus italienischen Krankenhäusern immer wieder vorgeführt bekommen - sie erklären uns wenig und sagen uns nicht, was wir tun müssen, um trotz Virus menschenwürdig zu leben.

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