Rettet uns vor den Berufsoptimisten

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Die Deutschen und der Optimismus


Seit der Fussball-WM 2006 ist es nicht mehr zu übersehen: Deutschland wird zunehmend euphorischer - zumindest, wenn es nach einigen Berufsoptimisten geht. Unzählige Bücher beschwören die neue deutsche Leichtigkeit. Die Deutschen sollen wieder zu alten Macherqualitäten finden: Erfindergeist, Unternehmertum, Kreativität.

Hier ein paar Links zum Thema:

Typisch Deutsch! ein Artikel auf der Website Perspektive:blau

du bist Deutschland!

Die "Ruck"-Rede von Roman Herzog

"Land der Ideen"

Buchbesprechung in der FAZ zu Florian Langenscheids "Das beste aus Deutschland"

Besprechung des Buches "Anleitung zum Zukunftsoptimismus von Matthias Horx

Irgendwas stinkt daran

Allerdings riecht diese ganze neue deutsche "Leichtigkeit" verdächtig nach dem guten alten "Wir sind wieder wer!". Was fehlt, ist eine glaubwürdige Autentizität. Stattdessen Geschwafel und Beschwörungsformeln, Phrasendrescherei und Schönfärberei. Ja - auch die Deutschen können feiern! Ja - auch die Deutschen haben Humor! Und Ja - auch die Deutschen können schreiben, lesen und rechnen! Und erst unsere Ingenieure! Was die alles können - und immer besser als alle Anderen!

Mag sein, dass deutsche Technik in der Welt einen guten Ruf hat (seit 2015 muss dies relativiert werden: VW) - aber muss das immer einhergehen mit der respektlosen Unterstellung, in anderen Ländern würde nur Schrott produziert (z.B. chinesische Autos). Mag sein, dass es in unserem Land dank Gewaltenteilung und demokratischen Strukturen erträglich zugeht - aber müssen wir deshalb ständig unseren Zeigefinger in die Welt recken und anderen erklären, wie Demokratie funktioniert (z.B. in Afganistan).

Wenn deutsche Entscheidungsträger Optimismus anmahnen, fordern sie fast regelmäßig im gleichen Atemzug "Begeisterung", "Stolz" auf das Geleistete und ein Ende des "Kleinredens". Hartz IV-Empfänger sollen dem Wettbewerbsprinzip unserer Industriegesellschaft vertrauen, sich artig anstrengen und sich mit den dadurch erarbeiteten "Früchten" zufrieden geben - schließlich verdient ein indischer Landarbeiter noch viel weniger!

Dass die Privilegierten dieser Gesellschaft kein Problem haben, optimistisch zu sein, verwundert wenig und ist ihnen zu gönnen. Dass sie aber bei den Verlierern der Gesellschaft mehr Optimismus anmahnen, zeugt von ihrer unsäglichen Borniertheit und begrenzten Weltsicht. Reichtum und Erfolg macht nicht notwendigerweise weise.


Der Optimist: "Das Glas ist 1/2voll" Der Pessimist: "Das Glas ist 1/2leer"

...manchmal ist es eine Frage des Glases!

Am Ende: Schluss mit Lustig!

Nach der Finanzkrise 2009 hat sich die Sache dann doch etwas gedreht. Der verordnete Optimismus verebbt zunehmend. Guido Westerwelle mahnt mit ernstem Worte die zunehmende Verlotterung weiter Bevölkerungsschichten an und droht mit Gedanken wie "MInderleistung darf sich nicht lohnen!". Herr Sarrazin - ebenfalls ein Fachmann für Minderleister - rät Hartz IV-Empfängern zu Sparsamkeit: Heizung runter drehen, Pullover anziehen.

Derweil sterben in Afghanistan deutsche Soldaten (...von den vielen sterbenden Zivilisten ist dagegen eher wenig die Rede).

Dass Soldaten zur Tötung von Menschen ausgebildet und ausgerüstet werden (siehe "Tucholsky"), scheint dabei etwas in den Hintergrund gedrängt. Stattdessen versucht man verzweifelt, ohne große Diskussionen vom bisherigen "Aufbauhelfer"-Image unserer Bundeswehr zum kriegerischen Kampfeinsatz über zu leiten. Medien erzählen uns vom psychischen Leid der Soldaten (posttraumatische Belastungsstörung), von mangelhafter Ausrüstung (=Waffen zum Töten und Zerstören) und Fordern die Sache beim Namen zu nennen (KRIEG). Aber niemand fragt, was deutsche Soldaten in einem 5000 km entfernten, grottenarmen und geschundenen Land zu kämpfen und zu kriegen haben. Nur um die Sache mal auf die Füsse zu stellen: die Soldaten sind in Afganistan weil...

  • sie sich freiwillig für den Beruf des Soldaten entschieden haben,
  • sie von Politikern dorthin geschickt wurden, um ein wenig Weltpolitik spielen zu können,
  • die Medien den Afganistaneinsatz als "alternativlos" propagieren,
  • und die Deutschen allen Ernst an einen "humanitären" Einsatz von Soldaten als Aufbauhelfer geglaubt haben.

Wenn das kein Optimismus ist!

Kein Optimismus - nirgends

Mancher Deutscher ist 2014 wieder zum guten alten Kulturpessimismus zurückgekehrt. AfD sieht den Untergang Deutschlands in Europa - mitgerissen durch die faulen Südeuropäer und Millionen Flüchtlinge. PEGIDA stemmt sich verzweifelt gegen die Islamisierung des Abendlandes. Düstere Zeiten stehen uns bevor!

2015 kommt die Flüchtlingskrise hinzu - und obwohl unsere Kanzlerin Optimismus verkündet, ziehen alle die Großmäuler, die ansonsten Deutschland und sich selbst nicht hoch genug loben können, den Schwanz ein: Deutschland ist an der Grenze der Belastbarkeit - heul, grein, schluchz...

christlich abendländische "Werte"

Wer sind eigentlich die Optimisten?

Suchen Sie mal in Google nach dem folgenden Satz: warum+die+welt+nicht+besser+wird GoogleTM

Interessant ist, dass besonders wirtschaftslieberale und Wertkonservative von der ständig besseren Zukunft schwadronieren.

Die Welt wird immer besser, sagte die Weihnachtsgans am 23. Dezember

Dabei ist die entscheidende Frage: Für wen wird die Welt besser?

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