Faktor Pi

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Aus gegebenem Anlass

Nachdem die vermeintlich technikfeindliche rot-grüne Regierung das Projekt "Transrapid" nicht als Leuchtturm-Projekt mit Steuergeldern unterstützen wollte (...und es der Deutschen Bahn zu teuer war), sprang der Hi-Tech-Papst Stoiber in die Bresche und verkündete die Errichtung einer Transrapid-Strecke zwischen München und dem Franz-Josef-Strauß Flughafen. Dieses Projekt sollte beweisen, dass Deutschland zu Großem in der Lage wäre. Es sollte die überragende Technik der Magnetschwebebahn demonstrieren und für ungezählte Folgeaufträge aus aller Welt sorgen.

Ganz so kam's dann doch nicht. Das Projekt wurde im März 2008 gestoppt wegen einer Verdopplung der Kosten innerhalb eines halben Jahres. Nun ist die Empörung groß. Besonders die Politik simuliert tiefe Betroffenheit und Unverständniss über diese "Kostenexplosion".

Das zeigt uns eines: Viele Politiker sind schlicht zu dumm, technisch-naturwissenschaftlich ungebildet und nicht in der Lage, die Vorgehensweise von betriebswirtschaftlich arbeitenden Unternehmen zu verstehen - oder sie wissen genau was sie tun und wen sie protegieren: das ist dann noch schlimmer!

Natürlich wollten die am Transrapid beteiligten Unternehmen diese Technik realisiert sehen - aber nicht auf eigene Kosten. Sie wollen ihr System verkaufen und damit Gewinne machen. Dabei ist es eine übliche Verfahrensweise, zusammen mit der Politik "Projekte" zu initieren. Die lässt man sich fördern und wenn die Kosten dann mit der Zeit steigen, schiebt der Staat in kleinen Raten nach. Immer wieder findet man in öffentlich geförderten oder beauftragten Projekten enorme Kostensteigerungen. Es scheint geradezu naturgesetzlich, dass zwischen den geschätzten Kosten und den tatsächlichen Kosten öffentlicher Projekte immer ein Faktor steht - z.B. der Faktor PI: statt 1.000.000 € kostet das Hallenbad am Ende 3.140.000 €. (Kleiner Tip: überprüfen Sie das mal an den letzten Bauprojekten Ihrer Kommune)

Natürlich weiss man in der Industrie, dass ein Projekt nur eine Chance hat, wenn es klein, überschaubar und vor allen Dingen machbar erscheint. Deshalb sorgen alle interessierten Beteiligten von Anfang an dafür, dass genügend "Sachverständige", "Gutachter" und andere Mietmäuler das Projekt als 100% sicher zertifizieren. Dazu darf man natürlich nicht alles so pessimistisch sehen. Kombiniert werden alle optimalen Randbedingungen, um dann daraus die niedrigst denkbaren Kosten und Zeiten zu ermitteln - die werden dann veröffentlicht: dann klappt's auch mit der Finanzierung. Nachdem das Projekt daraufhin von der Politik abgesegnet und finanziert oder gefördert wird, passt man es Schritt für Schritt der Wirklichkeit an.

Im Falle des Transrapid hat sich die Wirklichkeit leider etwas zu schnell geändert: Stahl- und Rohstoffpreise im Anlagenbau sind explodiert. Da wurde die "Anpassung" dann auffällig groß. Hinzu kamen - die auch vorher schon bekannten - Unwägbarkeiten hinsichtlich der Trassenführung und bauliche Erfordernisse.

Da waren Herr Beckstein und Herr Huber dann aber arg entäuscht. Dabei gab es schon früh Hinweise, warum das Projekt "Transrapid" nicht automatisch erfolgreich werden konnte:

  • Anders als bei Forschungs- oder Raumfahrtprojekten ging es beim Transrapid "nur" um Infrastruktur: die soll wenig kosten und funktionieren, ist aber für Visionen denkbar ungeeignet
  • Die Technik ist für lange Strecken in ebenem Gelände ideal - die gibt es auf diesem Planeten aber nur in sehr begrenzten Regionen - mit Sicherheit aber nicht in Bayern
  • Die Technik lässt sich nur als aufwendiges Großprojekt realisieren (z.B. als chinesisches Staatsprojekt) - mal eben so im kleinen Bayernland grenzt da ein wenig an Größenwahn
  • Das Transrapidkonzept ist systembedingt nicht sehr flexibel: hat man die Strecke einmal gebaut, ist der "Motor" nicht mehr veränderbar - er steckt im Beton - technische Verbesserungen sind nur noch aufwendig nachzurüsten. Deshalb wurde die Transrapidtechnik kaum weiterentwickelt. Dem gegenüber konnten herkömmliche Zugsysteme in den letzten Jahrzehnten enorm verbessert werden. Der Unterschied zwischen heutigen ICEs und dem Transrapid ist deshalb kaum noch der Rede wert.


Hätt man wissen können - wollt aber nicht!

Übrigens gibt es noch andere schöne Beispiele für die unseelige Koalition prestigesüchtiger Politiker und dreister Unternehmen:

  • das Toll-Collect-Projekt
  • der schnelle Brüter
  • die Wiederaufbereitung von Uran
  • der Rhein-Main-Donau-Kanal
  • die Ein-Schienenbahn am Düsseldorfer Flughafen
  • Cargo-Lifter
  • Stuttgart 21 (die Kosten steigen bereits, 2017 liegt die Kostenprognose bei 7,5 Mio€ - PI ist nicht mehr weit!)
  • Flughafen Berlin
  • Philharmonie in Hamburg
  • Hyperloop???
  • Fortsetzung folgt...

Chantal Schumpeter 21:39, 30. Mär 2008 (CEST)

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