Jäger und Sammler

Aus Wiki1

Version vom 11:00, 17. Jan. 2025 bei Emma Lichtenberg (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

Die Aufteilung der Menschen in "Jäger und Sammler" ist ein Stereotyp, dass uns in vielen kulturhistorischen Diskursen begegnet. In dieser Unterscheidung von Menschengruppen scheint etwas zutiefst Plausibles zu stecken, mit dem sich kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen einordnen lassen.

Aber worin besteht der Kern dieser Unterscheidung? Was unterscheidet "Jäger" und "Sammler".

Eigentlich nicht viel: beide Gruppen laufen herum, suchen nach etwas und eignen es sich an. Der Unterschied scheint mir im Wesentlichen in dem zu liegen, was gesucht wird. Sammler suchen Objekte mit sehr geringer Autonomie: Steine, Pflanzen, Holz - tote Dinge. Jäger suchen nach Subjekten mit einem eigenen Willen, um sie zu Objekten zu machen. Aus einem lebendigen Tier wird totes Fleisch. Und da sich kein autonomes Subjekt - kein lebendiges Wesen - freiwillig zum Objekt machen lässt, wird es sich wehren oder fliehen und damit Aufwand und Risiko für den Jäger erhöhen. Der Jäger lebt mit hohem Risiko und hohen Chancen - der Sammler mit geringem Risiko und geringen Chancen.

Beide Strategien finden sich bereits in einfachsten Lebensformen. Bakterien schwimmen herum und sammeln einfache Moleküle, Ionen, Energie - oder sie jagen andere Bakterien, Pilze oder Algen, um sie sich einzuverleiben. In der menschlichen Kultur haben sich diese Strategien immer weiter ausdifferenziert. Es gibt nicht nur Jäger sondern auch Räuber, Krieger, Investoren auf der einen Seite und nicht nur Sammler sondern Handwerker, Künstler, Bauern und Wissenschaftler auf der anderen Seite. Die einen nehmen Anderen etwas weg - ob Eigentum, Arbeit oder Leben, die Anderen sammeln Objekte und Wissen und gestalten daraus Neues. Aber beide Eigenschaften sind tief in uns verankert. Jeder von uns hat die Fähigkeit zum räuberischen Krieger und zum gestaltenden Handwerker oder Künstler.

Welche Fähigkeit bzw. Strategie in uns oder unserer Gesellschaft dominiert ist keine deterministisch beantwortbare Frage. Räuber und Handwerker, Jäger und Sammler, Krieger oder Künstler beeinflussen sich gegenseitig und werden durch den Lauf der Dinge beeinflusst. Das Risiko eines Kriegers steigt mit der Zahl der Krieger und sinkt mit der Zahl der Künstler, Handwerker und Bauern. Umgekehrt steigen die Chancen eines Kriegers mit der Zahl der Nicht-Krieger. Es ist also ein "Optimierungsproblem". Wieviele Jäger - wieviele Sammler verträgt eine Gesellschaft, verträgt die Welt?

Hinzu kommt, dass Krieger, Jäger, Räuber bei knapper werdenden Ressourcen Vorteile haben, während das Leben als Sammler, Künstler, Handwerker und Bauer bei genügend Ressourcen Vorteile bietet. Durch Verknappung von Ressourcen können sich Krieger die Bedingungen zum eigenen Vorteil verbessern. Sie können aber auch Sammler, Künstler, Handwerker und Bauern vor anderen Kriegern schützen.

Lässt sich damit die Frage nach dem "Guten Leben" beantworten? Wieviel Krieger sollten wir sein, wieviel Sammler, Bauern, Handwerker und Künstler? Sind Krieger besser als Künstler - Künstler besser als Krieger?

Persönliche Werkzeuge