Mathematik der Hierarchien
Aus Wiki1
Hierarchien waren schon immer ein besonderes Merkmal technokratischer Gesellschaften. Die Idee, gesellschaftliche Prozesse durch ein ausgetüfteltes Kastenwesen zu kontrollieren findet sich bereits in den ersten großen "Zivilisationen": ob Babylon, Ägypten oder China - die Anfänge der sozialen Megamaschinen reichen weit zurück in die Geschichte der Menschheit.
Doch weisen alle Hierarchien unabhängig von Zeit und Ort ähnliche Strukturen auf. Möglicherweise beruhen diese komplexen sozialen Gebilde auf ganz einfachen Grundeigenschaften des Menschen. Die Erfahrung zeigt, dass Menschen im Durchschnitt nur zu einer begrenzten Zahl anderer Menschen feste soziale Bindungen eingehen können. Die Zahl liegt irgendwo zwischen 5 und 15 - nehmen wir die Zahl 10. Gemeint sind damit nicht lose Kontakte oder Bekanntschaften sondern verbindliche Beziehungen, etwa die innerhalb einer Familie.
Diese Beschränkung führt dazu, dass zur Kontrolle größerer Menschengruppen eine "geschichtete" Arbeitsteilung notwendig ist: 1 kontrolliert 10; jeder dieser 10 kontrolliert wiederum 10 usw. Auf diese Weise ergeben sich je nach Größe des sozialen Verbandes mehr oder weniger Hierarchieebenen. Um z.B. 10.000 Menschen (sagen wir in einem Unternehmen) zu führen, sind 5 Ebenen notwendig - 4 Führungsebenen und 1 Handlungsebene:
1 10 100 1000 10000
Je größer die Gruppe, umso mehr Hierarchieebenen. Ein Staat mit Millionen Einwohnern braucht dann schon 7 bis 8 Ebenen. Es wäre interessant, Hierarchien in Staaten und Unternehmen einmal daraufhin zu überprüfen.
Bei der Verteilung von Gütern gibt es in Hierarchien ebenfalls einen eigenartigen Effekt: die Spitze erhält immer unverhältnismässig viel mehr als die unterste Ebene. Auch dies beruht - einmal abgesehen von der schlichten Machtverteilung - möglicherweise auf einer Eigenart unserer Wahrnehmung. In diesem Fall betrifft es die Höhe des "gerechten" Anteils.
Die meisten Menschen haben wenig Probleme damit, jemandem für seine Dienste einen Anteil von 10% zu zu gestehen. Das war im Mittelalter nicht anders als im heutigen Kreditwesen. 20% erscheinen dagegen immer etwas unverschämt. Wenn sich im obigen Beispiel jede Führungsebene 10% eines von oben nach unten durchgereichten Betrages zugesteht, bleiben für die unterste Ebene immerhin noch 65% übrig. Tatsächlich verteilt sich der Gewinn dann auf folgende Weise:
10,0% 9,0% 8,1% 7,3% 65,6%
Das sieht doch gerecht aus und innerhalb der Hierarchieebenen wird der abgeschöpfte Anteil natürlich auch gerecht verteilt. Das ergibt dann für jeden Einzelnen:
10,000% 0,900% 0,081% 0,007% 0,007%
Ein Gruppenmitglied auf der untersten Ebene erhält nicht einmal 1-tausendstel dessen was die Hierarchiespitze einstreicht - ein Phänomen, das wir in jedem großen Unternehmen beobachten können. Würde man übrigens den Gewinn auf alle gleich verteilen, so bekäme jeder 0,009%. Für die unterste Ebene immerhin eine Steigerung von 28% - allerdings würde der oberste Führer 99,91% seines ursprünglichen Gewinns verlieren.