Radikalisierung

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Wenn man mit Deutschen über den Islamismus spricht, zeigen viele ein großes Unverständnis für die Radkikalität und Grausamkeit dieser Bewegungen und unterstellen, dass dies nur in einer gewaltunterfütterten Religion wie dem Islam möglich sei. Das ist eigenartig: Ausgerechnet in der Nation, in der die Radikalisierung großer Bevölkerungsschichten - insbesondere der Jugend - so geplant, systematisch und erfolgreich praktiziert wurde, tut man befremdet über die Radikalisierung in anderen Ländern und Kulturen.

Viele unserer Großmütter und -väter waren in ihrer Jugend begeisterte Anhänger des Nationalsozialismus, teilten die Ideen von der Vormachtstellung des Deutschen Volkes, der Notwendigkeit "Volksschädlinge" auszumerzen und unterstützten den bis zur Gegenwart beispiellos grausam effizienten deutschen Staat zwischen 1933 und 1945. Sie wirkten engagiert und begeistert in der Hitlerjugend, dem Bund Deutscher Mädel oder anderen gemeinschaftsbildenden Organisationen mit. Sie sogen die nationalsozialistische Ideologie in sich auf und niemand weiß, ob sie diese Ideologie in ihrem späteren Leben in der Bundesrepublik Deutschland wirklich überwunden haben - oder sie nur geschickt hinter Konservatismus und Tradition verbargen.

Wenn die Deutschen ihre Greueltaten bzw. deren gesellschaftliche Unterstützung tatsächlich ehrlich aufgearbeitet hätten, dürften sie sich heute über junge Menschen, die dem IS folgen, nicht wundern. Im Gegenteil - die Deutschen gehören zu den wenigen Nationen, die diese Bewegungen aus der eigenen Geschichte heraus verstehen müssten - die wissen müssten, dass die scheinbar kultivierte Oberfläche einer Gesellschaft nichts mit deren inneren Abgründen zu tun hat.

Anscheinend wurde in Deutschland nie ernsthaft und auf breiter Grundlage erforscht und reflektiert, wie "normale", kultivierte westeuropäische Menschen dazu gebracht werden konnten, andere Menschen als Ungeziefer zu betrachten, sich jede Hilfsbereitschaft gegenüber Schwächeren zu verbieten und stattdessen Minderheiten, Behinderte, Alte und Schwache systematisch zu töten bzw. töten zu lassen.

Deutsche, die sich heute über die unfassbaren Greuel der IS oder anderer gewalttätiger Bewegungen echauffieren, müssen sich fragen lassen, was sie über Gedanken, Gefühle und Taten ihrer Großeltern vor 70 Jahren wissen - und wie sie dazu stehen. Verurteilen sie den Großvater, der Juden denunziert und sie damit einem grausamen Schicksal auslieferte - suchen sie nach Entschuldigungen oder blenden sie diese Taten einfach aus - so wie es vermutlich manche Angehörige der "Märtyrer" des IS tun?


Der anständige Nazi

In dem Dokumentarfilm "Heinrich Himmler. Der Anständige" ([1]) wird anhand von Briefen und Tagebuchaufzeichnungen der Familie Himmler die "Entwicklung" Heinrich Himmlers vom unschuldigen Kleinkind bis zum Mitorganisator des Holocaust nachgezeichnet. Hinterlegt durch Filmauschnitte aus der jeweiligen Zeit ergibt sich ein beklemmendes Gesamtbild über einen Menschen, der sich selbst für anständig hielt, während er die Ermordung von unzähligen hilflosen Menschen organisierte. Der Film illustriert eine Form der schleichenden Radikalisierung, bei der der Radikale bis zum Ende an die eigene Anständigkeit glaubt und sein monströses Handeln zu rechtfertigen weiß.

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