Prozesse und Muster

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In der Technik ist der Begriff des "Prozess" weit verbreitet - und ebenso bei Technokraten. Prozesse bilden streng kausale Abläufe: Wenn das passiert tust du dies, sonst das! Prozesse sind Kennzeichen von strengem Formalismus: ob in der Technik, der Bürokratie oder der Chemie. Unsere modernen Gesellschaften lieben Prozesse. "Prozessorientiert" kommt immer gut an bei Vorständen und Entscheidungsträgern. Und der Prozess aller Prozesse ist das Computerprogramm.

Dumm ist nur, dass in einem Prozess jedes Glied der Kette wichtig ist - und wehe, man hat eines übersehen. Das zeigte die aktuelle Wirtschaftskrise (2009), mancher Chemieunfall, das BP-Desaster im Süden der USA (2010), unverständliche Computerabstürze und das alltägliche Chaos unseres Daseins. In der Realität lassen sich Prozesse nur selten bis ins Detail festlegen und kontrollieren. Oft sind Prozesse (auch in der Technik) wild vernetzt und führen zu unvorhergesehenen Ergebnissen - oder zum berüchtigten Dominoeffekt.

Ganz anders das Muster. Es bleibt Muster, auch wenn einzelne Teile daneben liegen oder nicht ganz perfekt sind. Im Muster wird das einzelne Teil nicht durch einen Vorgänger bestimmt sondern durch viele Nachbarn. Muster sind eindeutig unterscheidbar aber nicht starr. Deshalb passt der Begriff des Musters besser zu den "Prozessen" des Lebens. Die Bildung unserer Blutgefäße geschieht nicht nach einem genau definierten Prozess sondern ihm liegt ein bestimmtes "Verhaltensmuster" der gefäßbildenden Zellen zugrunde. Auch Bewegungen stellen Muster dar und liefern uns mehr Informationen als uns auf den ersten Blick bewusst ist.

Auch viele Erkenntnisse in der Technik und Wissenschaften beruhen auf der Beobachtung von Mustern. Phänomene mit ähnlichen Erscheinungsmustern deuten immer auf ähnliche physikalische Grundlagen hin. Während Prozesse in ihrem Informationsgehalt recht eindimensional sind, liefern Muster meist eine Fülle von parallelen Informationen.

Schließlich ist das menschliche Gehirn die "Mustererkennungsmaschine" überhaupt. Wir erkennen Muster in allem und jedem: ob Wolken, Bäume oder Raufasertapete - immer findet man ein Gesicht oder ein Tier oder sonst etwas im Rauschen der Formen. Und auch mit unserem Gehör sind wir ständig auf der Suche nach Mustern: menschliche Sprache, rhytmische Geräusche, Melodien überall. Diese Mustererkennung läuft intuitiv ab und lässt sich kaum bewusst '"steuern". Das mag ein Grund dafür sein, dass wir sie maßlos unterschätzen. Ganz anders unser Denken: es ist uns ständig bewusst und erscheint uns als die Eigenschaft des Menschen. Kausale Zusammenhänge, Schrittketten, Ursache und Wirkung gehören in diesen Bereich - und es fragt sich, ob diese Fähigkeiten nicht überschätzt werden.


Vielleicht sollten wir den 2. Hauptsatz der künstlichen Intelligenz einführen oder über unsere mangelhafte Fähigkeit nachdenken, unser kognitives Spiegelbild als solches zu erkennen.

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