Nachdenken über IS, ukrainische Separatisten und deutsche Neonazis

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Das Jahr 2015 entwickelt sich nicht gut. IS, der Bürgerkrieg in der Ukraine und Syrien, jihadistische Anschläge (aktuell in Frankreich und Dänemark) sorgen für ein zunehmendes Angstgefühl in der Bevölkerung der westlichen Industrieländer. Begleitet wird diese Entwicklung von medialer Entrüstung gemischt mit Appellen an die Politik zu entschlossenem Handeln. "entschlossenes Handeln" bedeutet dabei fast immer "militärische oder polizeiliche Option" - und meint nichts anderes als die Anwendung von Gewalt (also Mord und Totschlag) gegen die Gewalttäter.

Diese Haltung wird als "pragmatisch" und als "realpolitisch" eingestuft - d.h. Gewalt ist nach Clausewitz eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Dies mag so sein, wenn Machterhalt, Beseitigung des Gegners, Eroberung oder Sicherung von Ressourcen die Ziele sind.

Wie wenig rational diese Annahmen sind, zeigt sich an Neonazis und Salafisten. Auch in diesen Gruppen wird Gewalt als Mittel der Wahl zur Verteidigung der eigenen Interessen postuliert. Sie sind sich einig in ihrer Wut auf die "Anderen", die vermeintlich ihre Religion, ihre Kultur oder Ehre bedrohen.

Wenn aber demokratische Strukturen, offene Gesellschaft und Kooperation die Ziele staatlicher Interventionen sein sollen, wird dies niemals mit Gewalt gelingen. Gewalt kann bestenfalls für die notwendige Atempause zur Besinnung sorgen (z.B. bei einem Polizeieinsatz). Allerdings muss bezwiefelt werden, dass Militärs in der Lage sind, Gewalt in dieser begrenzten Form einzusetzten. Das belegen alle Kriege der Vergangenheit. Wer die Bevölkerung Afghanistans, Iraks, Syriens oder den Osten der Ukraine und die Bewohner Gazas für das westliche Gesellschaftsmodell gewinnen will, darf die Menschen nicht bombardieren - auch wenn er es nur gut meint. Er wird wohl oder übel Geduld und Verständnis für die vorhandenen gesellschaftlichen Strukturen aufbringen und dabei auch humanitäre Katastrophen ertragen müssen. Die Alternative ist, sich selbst aktiv an humanitären Katastrophen zu beteiligen.

Kooperation kann man nicht erzwingen. Sie muss durch Vertrauen verdient werden. Leider sind Menschen so gestrickt, dass eine einzige negative Erfahrung jedes Vertrauen zerstören kann. Umgekehrt ist es unendlich schwer, einmal verlorenes Vertrauen wieder zu gewinnen. Diese Unsymetrie macht ein vernünftiges Handeln nicht leichter.


Wie wenig belastbar die "humanitären" Gründe für Kriegseinsätze sind, zeigt sich aktuell an der Frage, wie wir mit den über das Mittelmeer geschleusten Flüchtlingen umgehen sollen: retten oder ertrinken lassen? Die Politik hält das Ertrinkenlassen tatsächlich für eine Option, um größere Flüchtlingsströme zu verhindern. "Wir können doch nicht allen helfen!"

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