Ist Technik böse?

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Was für eine Frage? Technik ist ohne Seele, ohne die Freiheit der Entscheidung - also so gut oder schlecht wie jeder x-beliebige Gegenstand. Es ist der Mensch allein, der Gutes will und Böses tut - jedenfalls im Prinzip.  
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Was für eine Frage! Technik ist ohne Seele, ohne die Freiheit der Entscheidung - also so gut oder schlecht wie jeder x-beliebige Gegenstand. Wenn wir von etwas Bösem sprechen, so unterstellen wir einen bösen Willen - und der fehlt jedem technischen Objekt.  
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Denn ''Gut'' und ''Böse'' eignen sich als Begriffe auch nicht für andere "seelenlose" Dinge: Erdbeben, Stürme, Seuchen - was uns nicht hindert, deren Gnadenlosigkeit, Hinterhältigkeit oder Grausamkeit zu beklagen.
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Nun ist es aber so, dass Technik nie für sich selbst existiert. Sie wird entwickelt und realisiert um ganz bestimmten Zielen zu dienen. Menschen nutzen technische Einrichtungen um [[Respekt - ein unterschätztes Bedürfnis|etwas zu erreichen]].  
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Vielleicht liegt es aber auch an dem Umstand, dass, wenn Böses durch Technik geschieht, dahinter immer ein kluger Kopf vermutet wird; während die genannten schrecklichen Ereignisse schicksalhaft über uns hereinbrechen. Doch ist dieser Kopf immer klug? Und ist er es, der die Technik kontrolliert? Inwieweit kontrolliert die Technik den Kopf? Denken, fühlen und handeln wir mit einer Pistole genauso wie mit einem Knüppel in der Hand? Wir alle kennen die Macht der Gegenstände auf uns: Dinge die uns attraktiver machen, stärker, schneller, größer und mächtiger. Oder Dinge, die Anderen die Macht geben, unser Leben tiefgreifend zu beeinflussen.
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Diesen engen Zusammenhang zwischen technischem Objekt und den Zielen des Benutzers zu ignorieren führt zu zwei extremen Grundhaltungen:
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#Technik wird als Heilsbringer verherrlicht
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#Technik wird verteufelt
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Fürchten wir die Soldaten oder die Gewehre?
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Beide Haltungen treffen nicht die Wirklichkeit und führen zu falschen Schlüssen im Umgang mit Technik. Während die erste These die uneingeschränkte Anwendung der Technik propagiert und voraussetzt, dass sich der positive Nutzen von selbst einstellt, geht die zweite  Annahme davon aus, dass man nur die Technik verhindern müsse um das Unglück zu vermeiden. Beide Haltungen blenden die Tatsache aus, dass es Menschen mit individuellen Zielen sind, die die Technik anwenden - und damit über Glück und Unglück bestimmen.
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Für die Beantwortung der Frage "ist Technik böse" müssen deshalb die Technik und der Mensch betrachtet werden. Die Antwort darauf ergibt sich nicht direkt aus den Eigenschaften des technischen Objektes sondern aus dem Vertrauen in den Menschen, der diese Eigenschaften nutzt. Das Gewehr in den Händen eines netten Oberförsters gibt wenig Anlass zu Besorgnis - das gleiche Gewehr in den Händen eines brutalen Psychopaten lässt dagegen Böses ahnen.
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In jeder Auseinandersetzung mit neuen technischen Entwicklungen muss man sich entscheiden: macht man die Technik oder die Personen dahinter zum Thema.
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Andererseits sind jedem technischen Gegenstand die Möglichkeiten seiner Nutzung eingeschrieben. Manche dieser Eigenschaften sind offen für unterschiedliche Anwendungen: ein Hammer kann etwas zertrümmern - ob einen Stein oder einen Kopf hängt vom Willen dessen ab, der ihn schwingt. Andere Gegenstände bieten weniger Optionen: eine Tellermine hat die klar definierte Aufgabe, einen lebenden Organismus so schwer wie möglich zu beschädigen. Ansonsten ist sie sinnlos.  
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Schaut man sich Auseinandersetzungen mit technischen Entwicklungen in der Vergangenheit an, so scheint in den meisten Fällen die Technik selbst Ziel von tiefer Feindschaft oder hoher Verehrung zu sein: mechanische Webstühle, Eisenbahn, Automobil, Atomkraft, Gentechnik, Computer und Internet. Die technischen Einrichtungen selbst wurden und werden angegriffen, gar zerstört oder verklärt zur heilsbringenden Lösung aller Probleme. Technik scheint in der Realität als Symbol jeden hinter ihr stehenden Menschen zu verdrängen.  
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Es gibt also technische Gegenstände, die von Anfang an für einen bösen oder nicht bösen Einsatzzweck konzipiert werden. Besonders die Gegenstände mit den bösen Eigenschaften lassen dabei nur zwei Möglichkeiten zu: die böse Anwendung oder gar keine Anwendung! Das unterscheidet z.B. die Tellermine von einem Feuerwerkskörper oder einem Hammer.  
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Man mag dies für irrational halten - doch scheint es eine tief verankerte menschliche Eigenschaft zu sein, Gegenstände zu beseelen - zumal solche, die sich selbstständig bewegen, mit uns kommunizieren oder uns bedrohen. Es bedarf immer wieder großer Anstrengungen, die hinter der Technik aggierenden Protagonisten, die Interessengruppen und Profiteure in den Fordergrund zu schieben - denn erst dann werden Motive und Gründe für neue technische Entwicklungen erkennbar und der wirkliche Sinn dahinter tritt zu Tage.
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In jeder Auseinandersetzung mit neuen technischen Entwicklungen muss man sich deshalb mit zwei Fragen beschäftigen:
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#Wie vertrauenswürdig sind die zukünftigen Nutzer der Technik in Bezug auf die möglichen Gefahren
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#Lässt sich die Technik überhaupt für etwas Positives Nutzen
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Schaut man sich Auseinandersetzungen zu neuen technischen Entwicklungen in der Vergangenheit an, so wurde - wenn überhaupt - nur die zweite Frage gestellt und natürlich in der Regel positiv beschieden: mechanische Webstühle, Eisenbahn, Automobil, Atomkraft, Gentechnik, Computer und Internet. Die Vertrauenwürdigkeit der späteren Betreiber und Anwender war jedoch nur selten Thema.
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Aber genau hier muss die eigentliche Fragestellung ansetzen!
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Nicht: "Ist ein Atomkraftwerk gefährlich?"
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Sondern: "Können wir dem Energieversorger über den Zeitraum des Betriebs der Anlage trauen?" ... "und was ist mit dem Betreiber der Lagerstätte für den radioaktiven Müll?"
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Dabei kann man eine "Gesetzmäßigkeit" voraussetzen:
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Technik wird, wenn nicht die Gesellschaft regulierend und kontrollierend eingreift, zunächst immer nur einzelnen Menschen oder Gruppen nutzen und deren [[Macht und Technik|Macht]] und Möglichkeiten erweitern. Sie führt damit zu einer [[Beschreiben Verstehen Beherrschen|Konzentration von Macht]]. Das hat aber immer zur Folge, dass Wenige den Nutzen haben und Viele die Nachteile tragen. Ohne regulierende gesellschaftliche Prozesse wird sich Technik deshalb '''immer''' zum Nachteil der Mehrheit entwickeln! Die Abhängigkeit der Mehrheit von der Minderheit lässt sich durch Technik vergrößern und die Möglichkeiten zur Kontrolle und Überwachung der Mehrheit lassen sich mit ihrer Hilfe erweitern.
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Auch wenn es den Vertretern aus Forschung und Technik im Allgemeinen nicht passt: wer möchte, dass sich technische Entwicklungen nachhaltig positiv auf möglichst viele Menschen auswirken, der muss technische Entwicklung durch gesellschaftliche Prozesse regulieren. Dies mag in Einzelfällen den technischen Fortschritt behindern - wird ihm aber langfristig immer nutzen, wenn dadurch verhindert wird, dass sich die gesellschaftlichen Grundlagen auflösen. Wichtige Regulierungsmaßnahmen sind:
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*Beschränkungen für die Anwendung von Technik
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*Entwicklung von Varianten und Optionen (Wettbewerb)
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*Einschränkung von Exklusivität
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*[[Open-Design|Offener Zugang]] zu technischem Wissen
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Weitere Hintergrundinformationen:
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* http://www.aurora-magazin.at/gesellschaft/bordat_technik_frm.htm
[[Kategorie:Technik]]
[[Kategorie:Technik]]
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[[Kategorie:Gesellschaft]]

Aktuelle Version vom 12:56, 20. Feb. 2017

Was für eine Frage! Technik ist ohne Seele, ohne die Freiheit der Entscheidung - also so gut oder schlecht wie jeder x-beliebige Gegenstand. Wenn wir von etwas Bösem sprechen, so unterstellen wir einen bösen Willen - und der fehlt jedem technischen Objekt.

Nun ist es aber so, dass Technik nie für sich selbst existiert. Sie wird entwickelt und realisiert um ganz bestimmten Zielen zu dienen. Menschen nutzen technische Einrichtungen um etwas zu erreichen.

Diesen engen Zusammenhang zwischen technischem Objekt und den Zielen des Benutzers zu ignorieren führt zu zwei extremen Grundhaltungen:

  1. Technik wird als Heilsbringer verherrlicht
  2. Technik wird verteufelt

Beide Haltungen treffen nicht die Wirklichkeit und führen zu falschen Schlüssen im Umgang mit Technik. Während die erste These die uneingeschränkte Anwendung der Technik propagiert und voraussetzt, dass sich der positive Nutzen von selbst einstellt, geht die zweite Annahme davon aus, dass man nur die Technik verhindern müsse um das Unglück zu vermeiden. Beide Haltungen blenden die Tatsache aus, dass es Menschen mit individuellen Zielen sind, die die Technik anwenden - und damit über Glück und Unglück bestimmen.

Für die Beantwortung der Frage "ist Technik böse" müssen deshalb die Technik und der Mensch betrachtet werden. Die Antwort darauf ergibt sich nicht direkt aus den Eigenschaften des technischen Objektes sondern aus dem Vertrauen in den Menschen, der diese Eigenschaften nutzt. Das Gewehr in den Händen eines netten Oberförsters gibt wenig Anlass zu Besorgnis - das gleiche Gewehr in den Händen eines brutalen Psychopaten lässt dagegen Böses ahnen.

Andererseits sind jedem technischen Gegenstand die Möglichkeiten seiner Nutzung eingeschrieben. Manche dieser Eigenschaften sind offen für unterschiedliche Anwendungen: ein Hammer kann etwas zertrümmern - ob einen Stein oder einen Kopf hängt vom Willen dessen ab, der ihn schwingt. Andere Gegenstände bieten weniger Optionen: eine Tellermine hat die klar definierte Aufgabe, einen lebenden Organismus so schwer wie möglich zu beschädigen. Ansonsten ist sie sinnlos.

Es gibt also technische Gegenstände, die von Anfang an für einen bösen oder nicht bösen Einsatzzweck konzipiert werden. Besonders die Gegenstände mit den bösen Eigenschaften lassen dabei nur zwei Möglichkeiten zu: die böse Anwendung oder gar keine Anwendung! Das unterscheidet z.B. die Tellermine von einem Feuerwerkskörper oder einem Hammer.

In jeder Auseinandersetzung mit neuen technischen Entwicklungen muss man sich deshalb mit zwei Fragen beschäftigen:

  1. Wie vertrauenswürdig sind die zukünftigen Nutzer der Technik in Bezug auf die möglichen Gefahren
  2. Lässt sich die Technik überhaupt für etwas Positives Nutzen

Schaut man sich Auseinandersetzungen zu neuen technischen Entwicklungen in der Vergangenheit an, so wurde - wenn überhaupt - nur die zweite Frage gestellt und natürlich in der Regel positiv beschieden: mechanische Webstühle, Eisenbahn, Automobil, Atomkraft, Gentechnik, Computer und Internet. Die Vertrauenwürdigkeit der späteren Betreiber und Anwender war jedoch nur selten Thema.

Aber genau hier muss die eigentliche Fragestellung ansetzen!

Nicht: "Ist ein Atomkraftwerk gefährlich?"

Sondern: "Können wir dem Energieversorger über den Zeitraum des Betriebs der Anlage trauen?" ... "und was ist mit dem Betreiber der Lagerstätte für den radioaktiven Müll?"

Dabei kann man eine "Gesetzmäßigkeit" voraussetzen:

Technik wird, wenn nicht die Gesellschaft regulierend und kontrollierend eingreift, zunächst immer nur einzelnen Menschen oder Gruppen nutzen und deren Macht und Möglichkeiten erweitern. Sie führt damit zu einer Konzentration von Macht. Das hat aber immer zur Folge, dass Wenige den Nutzen haben und Viele die Nachteile tragen. Ohne regulierende gesellschaftliche Prozesse wird sich Technik deshalb immer zum Nachteil der Mehrheit entwickeln! Die Abhängigkeit der Mehrheit von der Minderheit lässt sich durch Technik vergrößern und die Möglichkeiten zur Kontrolle und Überwachung der Mehrheit lassen sich mit ihrer Hilfe erweitern.

Auch wenn es den Vertretern aus Forschung und Technik im Allgemeinen nicht passt: wer möchte, dass sich technische Entwicklungen nachhaltig positiv auf möglichst viele Menschen auswirken, der muss technische Entwicklung durch gesellschaftliche Prozesse regulieren. Dies mag in Einzelfällen den technischen Fortschritt behindern - wird ihm aber langfristig immer nutzen, wenn dadurch verhindert wird, dass sich die gesellschaftlichen Grundlagen auflösen. Wichtige Regulierungsmaßnahmen sind:

  • Beschränkungen für die Anwendung von Technik
  • Entwicklung von Varianten und Optionen (Wettbewerb)
  • Einschränkung von Exklusivität
  • Offener Zugang zu technischem Wissen

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