Die Wohlgesinnten

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Ein Buch, dass durch Mark und Bein geht.
Ein Buch, dass durch Mark und Bein geht.
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Der Roman "Die Wohlgesinnten" von Jonathan Litell beschreibt aus der Sicht eines SS-Offiziers die Geschehnisse während des Russland-Feldzuges und der Judenverfolgung.  
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Der Roman "Die Wohlgesinnten" von Jonathan Littell beschreibt die Geschehnisse während des Russland-Feldzuges und der Judenverfolgung aus der Sicht eines Täters - dem promovierten Juristen und SS-Offizier Dr. Max Aue. Mit seiner bildungsbürgerlichen Grundausstattung, seiner Belesenheit und äußerlichen Kultiviertheit versucht er, seinem Leben und Handeln den Schein von Sinn und Haltung zu verleihen - was in Anbetracht der unglaublichen Greueltaten, an denen er beteiligt ist, natürlich scheitern muss.  
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Einige behaupten, es sei Nazi-Pornographie. Allen voran die alte Tante "Zeit" muckert den Roman klein. Die deutschen Kritiker bemäkeln, der Roman bringe nichts Neues - würde nichts erklären und sich nur in widerwärtigen Beschreibungen und detailversessenen Aufzählungen ergehen.
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Der Roman wurde in Frankreich begeistert aufgenommen - in Deutschland dagegen verhalten bis kritisch. Das deutsche Feuilleton bemäkelt das Buch auf breiter Front ob TAZ, Zeit oder Süddeutsche Zeitung - lediglich die FAZ brachte dem Roman mehr Wohlwollen entgegen.
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Mangelnde Ausarbeitung, wenig glaubhafte Charaktere, unplausible Figuren, mangelnde Konsistenz, schlaue Pornographie, Kolportageroman - so lassen es die Kritiker krachen. Der Tenor dieser Rezensionen ist vernichtend: nichts Neues, wissen wir schon alles - und literarisch unterste Schublade!
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Der Tenor dieser "besserwisserischen" Kritiken ist: nichts Neues, wissen wir alles! Kaum anerkannt wird dagegen, dass durch diesen Roman auf sehr eindringliche und nachvollziehbare Weise die unmerklichen Prozesse vorgeführt werden, die Menschen in barbarische Rohheit treiben. Er beschreibt was in seiner Vielschichtigkeit nicht erklärbar ist: Wie aus gutem Willen die Hölle entsteht. Die Beschreibung der Vorbereitungen zur Erschießung von 50.000 Menschen zeigt keine wilden Barbaren, die im Blutrausch alles niedermetzeln - sie zeigt Manager, Organisatoren, die ein Projekt so gut es geht planen und durchführen - nach allen Regeln des guten Projektmanagements.
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Beim Lesen der Kritiken geht einem unweigerlich die Frage durch den Kopf, wie denn das Thema hätte behandelt werden müssen, um Gnade vor diesen Rezensenten zu finden. Kann man denn die Greuel des 3. Reichs angemessener darstellen, als im Stil eines Schundromans? Erfasst das Etikett "Pornographie" nicht besser als jede fein ziselierte literarische Ausarbeitung den Charakter des Nationalsozialismus? Und haben es Figuren wie Eichmann tatsächlich verdient, "glaubhaft" dargestellt zu werden?
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Das Buch "Die Wohlgesinnten" lebt nicht von Sprache oder literarischen Gesten. Es lebt von der detaillierten Aufzählung der Geschehnisse und dem hohlen bildungsbürgerlichen Getue seines Protagonisten. Es zeigt deutlicher als Guido Knopps weichgespülte Dokusoaps von "Hitler und seinen..." was wir von "kultivierten" Eliten zu halten haben, von bürgerlichen Tugenden wie Disziplin, Gehorsam und Ordnung. Es zeigt das [[Mythos der Maschine|Räderwerk der Maschine]] unserer modernen Industriegesellschaft in Aktion.
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[[Kategorie:Literatur]]
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Version vom 13:39, 15. Jun. 2008

Damit wir es nicht vergessen!

Ein Buch, dass durch Mark und Bein geht.

Der Roman "Die Wohlgesinnten" von Jonathan Littell beschreibt die Geschehnisse während des Russland-Feldzuges und der Judenverfolgung aus der Sicht eines Täters - dem promovierten Juristen und SS-Offizier Dr. Max Aue. Mit seiner bildungsbürgerlichen Grundausstattung, seiner Belesenheit und äußerlichen Kultiviertheit versucht er, seinem Leben und Handeln den Schein von Sinn und Haltung zu verleihen - was in Anbetracht der unglaublichen Greueltaten, an denen er beteiligt ist, natürlich scheitern muss.

Der Roman wurde in Frankreich begeistert aufgenommen - in Deutschland dagegen verhalten bis kritisch. Das deutsche Feuilleton bemäkelt das Buch auf breiter Front ob TAZ, Zeit oder Süddeutsche Zeitung - lediglich die FAZ brachte dem Roman mehr Wohlwollen entgegen. Mangelnde Ausarbeitung, wenig glaubhafte Charaktere, unplausible Figuren, mangelnde Konsistenz, schlaue Pornographie, Kolportageroman - so lassen es die Kritiker krachen. Der Tenor dieser Rezensionen ist vernichtend: nichts Neues, wissen wir schon alles - und literarisch unterste Schublade!

Beim Lesen der Kritiken geht einem unweigerlich die Frage durch den Kopf, wie denn das Thema hätte behandelt werden müssen, um Gnade vor diesen Rezensenten zu finden. Kann man denn die Greuel des 3. Reichs angemessener darstellen, als im Stil eines Schundromans? Erfasst das Etikett "Pornographie" nicht besser als jede fein ziselierte literarische Ausarbeitung den Charakter des Nationalsozialismus? Und haben es Figuren wie Eichmann tatsächlich verdient, "glaubhaft" dargestellt zu werden?

Das Buch "Die Wohlgesinnten" lebt nicht von Sprache oder literarischen Gesten. Es lebt von der detaillierten Aufzählung der Geschehnisse und dem hohlen bildungsbürgerlichen Getue seines Protagonisten. Es zeigt deutlicher als Guido Knopps weichgespülte Dokusoaps von "Hitler und seinen..." was wir von "kultivierten" Eliten zu halten haben, von bürgerlichen Tugenden wie Disziplin, Gehorsam und Ordnung. Es zeigt das Räderwerk der Maschine unserer modernen Industriegesellschaft in Aktion.

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